24. Juni 2013

Ja! Wirklich! Es ist schon mehr als 2 Monate her, dass ich hier das letzte Mal geschrieben habe. Ich befürchte, dass der eine oder die andere schon glaubt, ich würde mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden weilen.

Man täuscht sich. Ich bin quicklebendig und es geht mir – sagen wir mal – gut. Nicht alles ist gut, aber vieles ist gut.

Es tut einem gut, wenn man merkt, dass es Menschen gibt, die sich um einen sorgen. Und es tut gut zu sehen, dass dies bei weitem nicht nur die eigene Familie ist. Ich merke es daran, dass es immer mehr Leute gibt, die mich fragen, warum ich in meinem Blog nicht mehr schreibe. Das Interesse – so spüre ich – ist dabei nicht nur oberflächlich. Es kommt von Herzen.

In meinem privaten Umfeld finde ich die Interessierten genau so wie in meinem beruflichen Umfeld. Das gleiche gilt für die vielen Leute aus dem Bereich der “Kunsthandwerkerszene” und dem Bereich der Menschen aus meinem Wohnort. Es tut gut, dass es Leute gibt, die sich Sorgen machen.

Es gibt aber auch solche, die mir klar ihr Desinteresse an meinem Befinden bekunden. Die ignorieren die Tatsache, dass ich eine Krankheit habe, die man nicht unbedingt braucht. Ich bin sehr froh, dass es von diesen Menschen in meinem Umfeld nur so wenige gibt, dass die Finger meiner linken Hand problemlos dazu ausreichen, sie daran abzuzählen.

Aber eigentlich will ich ja gar nicht, das die Leute sich Sorgen machen. Eigentlich ist es mir ja am liebsten, wenn sich weder die Leute noch ich selber Sorgen machen (müssen).

Wenn ich die letzten fast drei Monate vor meinem (hinter einer verdreckten Brille versteckten) geistigen Auge Revue passieren lasse, dann waren es privat sehr schöne Monate. Man hat das Leben genossen – vorwiegend. Beruflich waren es sehr anstrengende Monate, in der mich die viele Arbeit vielleicht auch davon abgelenkt hat, was da noch im Hintergrund schwelt. Und (fast) alle Dinge im beruflichen Umfeld waren sehr angenehm. Was will ich mehr.

Und jetzt? Jetzt geht es wieder ins Krankenhaus. Wie geplant. Ein ganz normaler Eingriff. RFA ist angesagt. Erst wird geschaut, was sich in mir seit dem letzten Termin so getan hat. Ich gehe fest davon aus, dass meine Speiseröhre sich positiv entwickelt hat. Und wenn nicht? Dann bekommt der Arzt meines Vertrauens das auch in den Griff.

Ich war in der Zwischenzeit schon einmal wieder auf der Couch des vorübergehenden Schlafes. Allerdings nicht im Krankenhaus, sondern bei dem Arzt, der damals mein Karzinom gefunden hatte. Ich hatte mich gemeinsam mit meiner lieben Frau angemeldet zur Darmspiegelung. Man wird älter und diese Art der Früherkennung sollte man doch sinnvollweise über sich ergehen lassen.

Geteiltes Leid ist halbes Leid, haben wir uns gesagt und daher am gleichen Tag einen Termin geholt. Am Montag in aller Frühe war es so weit. Am Tag vorher war dann Enthaltsamkeit in Bezug auf Essen angesagt. Hunger schieben von morgens bis abends. Und am Abend? Da kam dann noch dieser angeblich so gut schmeckende Drink dazu, den man in größerer Menge leeren darf, damit dieser dann dafür sorgt, dass man selber auch geleert wird.
Dieser Teil der Aktion, der dann am kommende Morgen noch einmal wiederholt werden durfte bzw. musste, war dann auch der Unangenehmste. Vor allem dann, wenn zwei Personen gleichzeitig das dringende Bedürfnis haben, den Ort der inneren Reinigung aufzusuchen. Und wenn die zweite “Schüssel” dann ein Stockwerk weiter ist, dann kann es schon mal eng werden.

Wir haben es überstanden, wie Millionen andere auch.

Und dann kamen wir zur Gastroenterologischen Praxis. Meinen – nicht ganz ernst gemeinten – Wunsch nach einer Doppelliege für die beste Frau von allen und für meine unwichtige Person konnte man mir nicht erfüllen. Wir wurden getrennt. Es war nicht für lange. Außerdem haben wir die meiste Zeit ja sowieso “verschlafen”.
Man hatte mir bereits im Vorgespräch eröffnet, das man vorhabe, nicht nur über die hintere Pforte meine Inneres zu erkunden. Auch den Bereich am Eingang zum Magen wolle man sich wieder anschauen. Ich war zwar der Meinung, dass das eigentlich nicht nötig sei, zumal das im Krankenhaus regelmäßig untersucht werde. Dennoch lies man sich nicht davon abbringen. Meine Gegenwehr war nicht riesig groß.

Mein Nachbar hatte mich in den letzten Tagen vor der Untersuchung schon intensiv hochgenommen. Er versicherte mir mehrfach, dass beide Untersuchungen mit dem gleichen Besteck gemacht werden würden. Und der Darm sei dabei zuerst dran. Na prima! Den guten Geschmack würde man sicherlich hinterher spüren.
Schön, wenn man auch über so etwas noch lächeln kann.

Sei’s drum. Es ging auf die Pritsche und dann in den Schlaf.

“Schlafen Sie gut”

??

“Hallo Herr Meyer! Alles klar”

Ich war wieder wach. Wie üblich. Und ich lag auf der Pritsche. Unangenehm war es. Denn bei dieser Art der Untersuchung wird der Darm während des Schlafes nicht nur untersucht. Vorher wird er gefüllt – und zwar mit Luft. Das macht wohl die Betrachtung des Inneren einfacher.
Diese Luft hat nur ein vorübergehendes Recht, den eigenen Körper zu bewohnen. Schon auf der Liege liegend haben große Mengen der Spezies “Gas” wieder das Weite gesucht. Es war mir unangenehm. Man ist es ja nicht gewohnt.
Ich erinnere mich an meinen Aufenthalt in China, der knapp 10 Jahre zurück liegt. Dort hörte man beim Essen und bei vielen anderen Gelegenheiten immer wieder diese Geräusche. Dort ist das ganz normal. Bei uns schämt man sich für so etwas.

Nur in der Situation, in der ich mich jetzt befand, ist so etwas normal. Es ist wohl so, das die Luft in dieser Praxis von dieser Art der – geruchsneutralen – Entlüftung intensiv durchtränkt ist. So isses eben. Ich gehörte morgens zu den ersten, die hier “tönten”. Viele andere folgten mir.

Und? Warum das Ganze? Weil ich wissen wollte, ob es in dem letzten Ende meines Vedauungstraktes auch bösartige Veränderungen gibt. Das war die alles entscheidende Frage.

Und man möge mir glauben. Es ist einem schon ein klein wenig mulmig. Vor allem dann, wenn die Besprechung des Ergebnisses anliegt.

Mein Arzt hat eine sehr ruhige Art. Schon damals – am 21.12.2012 – hat er mir sehr ruhig mitgeteilt, dass ich an Krebs erkrankt sei. Klar hatte er mir damals mitgeteilt, dass es bei Krebs und bei Schwangerschaft ähnlich sei. Entweder man habe es oder man habe es nicht.

Und jetzt? Ja, man habe etwas gefunden. Mein Atem stockte. Diesmal reagierte ich sofort.

Allerdings, so fuhr er fort, habe man die drei kleinen Stellen, die man gesehen habe, gleich entfernt. Das macht man wohl immer so. Auch bei meiner Gattin ist etwas gefunden worden. Auch das haben wir gleich dagelassen.

Unter dem Strich ist es so, dass wir das in uns hatten, was wohl sehr viele Menschen in unserem Alter in sich haben. Und im Rahmen einer Früherkennungsmaßnahme kann man das einfach entfernen. Das wurde gemacht. Jetzt haben wir einige Jahre Zeit, bis der nächste Check erfolgt. Ich hätte nichts dagegen, wenn man dann gar nichts mehr findet.

Wie geht es mir? Gut! Sehr gut! Ich lebe und ich fühle mich “gesund”. Jedenfalls viel besser als vor einem Jahr, als mich immer eine körperliche Schwäche begleitete. Heute ist es besser. In mir ist mehr Kraft.

Ich hatte vor einiger Zeit von einem Bekannten gesprochen, der ebenfalls an Krebs erkrankt ist. Auch er hat einen Blog geschrieben. Auch er hat diesen Blog schon seit längerem nicht mehr bedient. So gleichen sich die Schicksale. Ihn hat es aber schlimmer erwischt als mich. Mittlerweile hat er die fünfte Chemotherapie hinter sich.
Aber: Er arbeitet schon wieder ein klein wenig. Und er möchte Urlaub machen. Es hat mich riesig gefreut, dass von ihm zu hören. Es tut gut zu sehen, dass auch andere Leute, die böse Zellen im Körper haben, diese bekämpfen können.

Aber nicht alles ist eitel Sonnenschein. Ein anderer guter Bekannter von mir – er ist schon älter – mit dem ich in den letzten Monaten oft über diese Krankheit gesprochen habe, liegt im Krankenhaus. Seine Krankheit ist wieder ausgesprochen. Schlimmer und heftiger als zuvor. Und das tut weh. Sehr weh. Dies spüre ich viel viel intensiver, als ich es vor meiner Erkrankung gespürt habe.

Und die schlimmste Nachricht, die mich in den letzten Monaten erhalten habe, ist die Nachricht vom plötzlichen Tod eines sehr guten Freundes aus Zagreb. Jedes Jahr – seit über 20 Jahren – hat mich dieser Professor aus Kroatien bei meiner Arbeit in Heidelberg besucht. Ein unendlich liebenswerter Mensch, der eine einmalige Ausstrahlung hatte. Ich bin bei weitem nicht der Einzige, den das in Deutschland bis ins Mark getroffen hat. Er war noch viel zu jung. Er hatte noch so viel vor. Er hatte mich – wieder einmal – in sein Haus nach Sibenik in Kroatien eingeladen. Ich werde ihn nie mehr sehen.

Da ist das bischen Krebs, dass ich in mir habe (hatte?) doch wirklich nur als “Peanuts” zu bezeichnen.

Ich bin froh, dass es mir gut geht. Ich bin sehr froh, dass es mir gut geht. Solange es mir gut geht, möchte ich weiterhin die Möglichkeit haben, anderen Menschen etwas von dem zu geben, was in meinen Kräften steht. Und das ist es, was mir dann auch wieder selber Kraft gibt.

Aber jetzt geht es erst einmal in das Krankenhaus. Auf zum nächsten Besuch im Krankenbett.

Freue ich mich drauf? Zugegebenermaßen: Nein! Aber es gehört halt zu meinem Leben dazu. Und ich betrachte es als “Normalität”. Ich kann damit “leben”. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Und diese Art von “leben” würde ich gerne noch fortsetzen. Einen Monat, ein Jahr, ein Jahrzehnt. Und – man möge mir diese unverschämte Hoffnung verzeihen – ich hätte auch nichts dagegen, wenn es noch ein paar Jahrzehnte mehr werden.

Denn kann ich auch noch mal zur Darmspiegelung. Egal, wie diese Mittel da auch schmecken mag!

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4 Responses to 24. Juni 2013

  1. Christiane Gerhard says:

    Jetzt bin ich aber froh – ein neuer Post. Die Post-Abstände “dürfen” ;) in Zukunft nicht mehr so lange sein, da macht man sich ja Sorgen!
    Ganz liebe Grüße und nette gesund-werd-Gedanken
    Christiane

  2. die "Vögel" says:

    Hallo Herr Meyer!
    Ach wie schön von ihnen mal wieder ein “Lebenszeichen” zu lesen – wir haben schon gegrübelt wie es ihnen wohl geht.
    Wir das sind nicht nur wir Patchworkverrückten Vögel, sondern auch einige andere Aussteller, die Stella (Glaskunst) die Schreibers (leckere Brände)…. Wir haben uns alle beim Schlössertag in Bruchsal getroffen – der zweite Satz war meisten “schon was vom Meyer gehört?” Wir alle sind in Gedanken bei ihnen ;-) !
    Ich sende mal für ALLE einen Gruß
    Ute

  3. Kirstin Spaan says:

    Schöööön, dass es Ihnen gut geht und Sie Ihre Stärke wieder finden.
    Man sagt so landläufig : “Wieder der Alte werden”. Dabei ist die Frage erlaubt, ob man das will, wieder der Alte werden???
    Ein bisschen schon, aber nicht mehr so ganz, oder?

    Herzliche Grüße auch an Ihre Frau
    Kirstin Spaan

  4. Manfred says:

    Lieber Peter,

    toi, toi, toi für den kommenden Eingriff. Als wir uns auf dem Stephansplatz getroffen haben, hattest Du mir ja von Deinen Untersuchungen am anderen Ende der Anatomie erzählt. Erst zu Hause ist mir aufgefallen, dass ich nicht einmal gefragt habe: Und war alles okay? Das zum Thema Befangenheit.
    Und Du sagtest auch: Mensch ich müsste eigentlich mal wieder was schreiben. Ich hatte das Datum 26. Juni im Kopf behalten, deshalb habe ich heute nachgeschaut und den ausführlichen Bericht gefunden.
    Du bist heute eingerückt, ich war gestern im DIAK in der HNO und habe mir einen Termin geholt. Weil Frau Prof. Preyer eine gefragte Kapazität ist und dann auch mal Urlaub machen will, darf ich erst am 20.8. antanzen. Aber bei mir eilt ja nicht.
    Was mich allerdings ziemlich runtergezogen hat war, dass im Foyer ein seit vielen Jahren bekanntes Ehepaar auf mich zukam und er mich fragte: Was machst Du denn hier? Und nachdem ich es ihm erzählt hatte, auf seine Frau deutete: “Bei Moni wachsen die Haare wieder, ich weiß nicht ob du es mitbekommen hast.”

    Peter nochmal alles Gute und “freu” Dich wieder, wenn man Dir um 5:30 Uhr einen donnernden guten Morgen wünscht und die Schwester unbedingt wissen will, was Du zum Essen bestellst, obwohl Du garnichts essen darfst.

    liebe Grüße natürlich auch von Hanni

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