24. Januar 2013

Hallo,

lange nichts geschrieben! Was heisst denn das? Ist das gut oder ist das schlecht?

Tja, das weiss keiner so genau. Aber das Leben hat mich zurück. Na ja, das Leben hat mich vorübergehend zurück.

Seit 14 Tagen bin ich wieder bei der Arbeit. Ist das gut? Oder ist das schlecht? Das weiss keiner so genau. Ich kann aber auf jeden Fall sagen, das es eine ganze Reihe von Leuten gibt, die nicht verstehen könne, dass ich es mir schon wieder jeden Tag antue, zwei Stunden lange im Auto zu sitzen, um zur Arbeitsstelle nach Heidelberg und dann wieder zurück zu fahren. Und dann noch mehr als acht Stunden täglich an der Arbeitsstelle zu verbringen. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld.

Dieses Unverständnis kommt mir nicht nur im privaten Kreis entgegen. Auch eine ganze Reihe von Arbeitskollegen sagen mir klar und deutlich, dass sie nicht verstehen, mich schon wieder bei der Arbeit zu sehen.

Natürlich würde mich mein Hausarzt sofort krank schreiben. Auch länger. Und manchmal frage ich mich selber, warum ich das nicht mache. Aber ich arbeite gerne. Ich arbeite nicht, um mich abzulenken von der Krankheit. Nein, ich arbeite, weil ich gerne arbeite. Auch der eine oder andere Abend zuhause geht – wie in alten Zeiten – wieder für dienstliche Dinge drauf. Das ist dann auch der Grund, weshalb hier so lange nichts geschrieben stand.

Dennoch ist viel passiert. Nachdem ich wieder “unter Menschen” war, habe ich spüren dürfen, dass ich krank bin. Warum habe ich das spüren dürfen? Weil ich gespürt habe, dass man ein anderer Mensch ist, wenn man Krebs hat. Man spürt das bei jeder Begegnung. Die Menschen begegnen mir anders als früher. Sie sind unsicher. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.

Ich hatte sowohl im privaten als auch im dienstlichen Bekanntenkreis von meinem Blog berichtet. Ich wollte nicht JEDEM erklären müssen, wie es um mich steht. Das wäre sicherlich auf die Dauer sehr anstrengend gewesen. Auf diese Art und Weise sind viele Leute infomiert, ohne dass ich viel reden muss.

Trotzdem: Ich spüre es. Täglich. Durchgehend. Immer. Man verhält sich anders als sonst. Man ist unsicher. Man weiss nicht, wie man mir begegnen soll. Es gibt Menschen, die haben nur anfänglich Probleme mit der Begegnung. Ich versuche, mich normal zu verhalten. Ich habe nichts Ansteckendes, ich bin nicht allgemeingefährlich. Wenn die Leute ihre Unsicherheit verloren haben, dann wird es wieder “normal”. Soweit man von “normal” reden kann.

Der erste Arbeitstag strengt mich am meisten an. Viele Leute kommen zu mir. Man ist dann irgendwann doch etwas neugierig und möchte mehr erfahren, als im Blog steht. Aber so ganz viel mehr gibt es gar nicht zu berichten.

Es gibt ganz unterschiedliche Begegnungen. Es gibt sogar Leute, die sich auf dem Flur schnell wegdrehen und das Weite suchen. Solche Begegnungen sind dann doch etwa bizarr. Es gibt aber auch Kollegen und auch Studenten, die zu mir kommen und tief betroffen sind. Vielleicht sogar mehr, als ich es zur Zeit bin. Einer davon stand mit Tränen in den Augen vor mir. Hier durfte ich trösten und nicht umgekehrt.
Insgesamt gibt es aber viele gute Gespräche. Ich erhalte auch viele Mails, in denen man mir Mut zuspricht. Das tut gut. Das baut auf.

Ist alles aufbauend? Ist alles gut? Nein, leider nicht. Sehr bald bin ich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Der ganz normale Alltag an der Arbeitsstelle hat mich wieder eingeholt. Eine Person, von der ich erwartet hätte, dass sie am ersten Tag meiner Rückkehr bei mir auflaufen würde, lässt sich geschlagene 4 Tage Zeit, bis sie bei mir erscheint. Darüber war ich – gelinde gesagt – sehr verwundert. Das lässt auch tief blicken. Auch das dann folgende Gespräch war wenig erbaulich. Es dauerte nur wenige Minuten, da hatten wir uns dermaßen in der Wolle, dass ich – zum Schutz meines Nervenkostüms – das “Gespräch” beendete. Es ist die einzige Person – wirklich die einzige – die es immer wieder schafft, mich zur Explosion zu bringen. Und wenn ich explodiere, dann richtig. So etwas braucht man nicht jeden Tag.

Glücklicherweise ist dies die Ausnahme. Die große Ausnahme. Alle anderen Begegnungen waren positiv, waren konstruktiv, waren aufbauend. Trotzdem merke ich, dass es den Leuten am besten geht, wenn man nicht über das Thema spricht. Ähnliche Erfahrungen hat auch ein Student gemacht, der mir berichtet. Sein Vater hatte die gleiche Krankheit wie ich. Sechs Wochen nach der Diagnose ist er verstorben. Man konnte nichts mehr machen. Da steht man dann da und ist beschämt. Ich habe – so hoffe ich – vielleicht noch einmal Glück gehabt. Ich würde es allen wünschen, so viel Glück zu haben. Ich habe ja das Trikot – das Trikot von Bjarte.

Am einfachsten ist es mit den Studenten. Und mit denen hatte ich in den beiden ersten Wochen mehr als genug zu tun. Natürlich wussten sie bescheid. Alle wussten es. Kurzes Raunen, wenn ich beim ersten Mal den Raum zum Unterricht betrete, aber dann ist Ruhe. Ja, vielleicht sind sie etwas ruhiger und etwas aufmerksamer als sonst. Aber das ist gut so und so kann es bleiben. Insgesamt habe ich zwei Wochen mit viel viel Arbeit hinter mir. Diese beiden Wochen haben mir – bis auf eine Ausnahme – viel Spaß gemacht.

Es gibt noch viel mehr zu berichten. Neben der Arbeit hat sich nämlich noch einiges zugetragen. Und auch das Krankenhaus wartet demnächst wieder darauf, dass ich mich dort sehen lasse. Also darf die Anspannung so ganz allmählich wieder in mir hochkrabbeln. Wie wird es aussehen in mir? Was wird man sehen? Hoffentlich wird es gut sein!

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