31. Januar 2013

Es geht auf, es geht ab. Und heute? Bedingte Zuversicht. Aber keine Euphorie.

Heute ging es wieder mal in das Krankenhaus. Prüfung meiner inneren Werte. Das hieß dann wieder: Nichts essen, nichts trinken. Nüchtern ins Krankenhaus.

Meine liebe Gabi war nervös. Sie hatte Angst. Das ist immer so.

Ich war locker drauf. Keinerlei Bedenken. Wird schon schief gehen. Was soll schon Schlimmes sein.

Im Krankenhaus wartete man schon auf uns. Ich wurde schon von weitem mit Namen empfangen. Man kennt mich. Ganz ehrlich! Es wäre mir viel lieber, wenn mich hier niemand kennen würde. Ich habe nichts gegen diese Leute. Im Gegenteil! Sie sind alle sehr lieb zum mir und sie wollen und werden mir helfen.
Aber eigentlich würde man all diese Menschen viel lieber irgendwo bei einem Fest treffen und locker ein Bierchen miteinander trinken. Mir ist es aber vorbehalten, diese lieben Menschen nur in ihrem Beruf – ihrer Berufung zu kennen.

Auch mein Hausarzt und mein Zahnarzt sagen immer zu mir: “Auf Wiedersehen, Herr Meyer”. Und jedes Mal denke ich: Eigentlich muss das ja nicht sein. Eigentlich würde ich am liebsten meine Krankenkassengebühr jeden Moant zahlen, ohne sie jemals zu gebrauchen. Gewissermaßen als eine Art von Ablasszahlung. Ich glaube, dass würden ALLE Menschen gerne machen. Immer nur zahlen und nie krank werden.

Aber wenn dann niemand krank wird, dann sind ja diese Menschen hier im Krankenhaus alle arbeitslos. Das kann ja dann auch nicht sein. Dann hätten die gar kein Geld, um sich ein Bierchen zu kaufen, dass sie mit mir trinken könnten.

Also ist es dann doch wieder besser, wenn ab und zu mal jemand krank ist. So wie ich jetzt. Ich sorge dafür, dass sich diese Menschen auch mal ein Bierchen kaufen können. Ich habe also quasi die Pflicht, auch mal krank zu werden. Sehen wir das einfach mal aus dieser Perspektive.
;->

Trotzdem schmeckt es mir nicht so ganz, dass ich im Krankenhaus schon mit Namen bekannt bin, wenn ich auftauche. Aber naja, die Menschen hier sind ja alle lieb, sehr lieb. Sie sind viel zu gut zu mir. Und sie tragen ja keinerlei Schuld an dem, was mich hierher treibt.

Nun jedenfalls bin ich wieder hier. Man empfängt mich sehr freundlich. Nach kurzer Wartezeit darf ich auf die Liege. Bjarte’s Trikot ist dabei. So what?

Schlauch hier, Schlauch da, Blutdruckmessgerät und dann seitlich auf die Liege. Ich warte. Dann kommt der Chefarzt. Gut erholt vom Urlaub aber schon wieder voll in der Arbeit. Wie gesagt, beim Bierchen wäre er mir eigentlich lieber. Aber er will mir ja wieder mal einen langen Schlauch in den Hals schieben. “Wat mutt, dat mutt”, sagt man in meiner norddeutschen Heimat.

Wir unterhalten uns kurz, dann höre ich . mittlerweile zum vierten Mal innerhalb der letzten fünf Wochen – die bekannte Stimme mit der Aussage: “Schlafen Sie gut!”

Und wie ich schlafe. Schön ist es. Man spürt nichts. Als ich wieder wach werde, liege ich einen Raum weiter, im AWR (Aufwachraum). Neben mir liegt noch jemand. Und der schnarcht ordentlich. Ob ich auch geschnarcht habe? Keine Ahnung. Aber das ist mir auch egal. Ich hätte es ja sowieso nicht gehört.

Ich liege noch eine geschätzte Viertelstunde auf der Liege. Ich bin noch etwas dösig. Mein Blutdruck wird regelmäßig gemessen. Alles im grünen Bereich. Mein Puls ist niedrig. Fast zu niedrig. Liegt unter 50. Stört mich nicht. Draußen im Wartebereich sitzt meine Frau. Die hat einen Puls, der sicherlich durchgehend bei 100 ist. Und ich döse hier stressfrei auf der Liege.

Nach dem Aufstehen werde ich gleich mit Gabi in das Besprechungszimmer gebracht. Vorher bekomme ich noch den bereits fertigen schriftlichen Befund von der Magenspiegelung. Steht nicht ganz das drin, was ich erhofft habe.

Der Chefarzt kommt und bespricht das Ergebnis mit uns. Die Wunde von der Resektion ist gut verheilt. Es sieht gut aus. Allerdings, und damit hatte ich nicht gerechnet, ist doch noch etwas zu sehen. Eine etwa 4 mm große noduläre Stelle am Rande der Stelle, wo bereits das andere Karzinom entfernt wurde. Man habe dort eine Probe genommen. Außerdem wurde der Rest des Barretts noch einmal beprobt. Sobald das Ergebnis der Untersuchung des Materials da sei, werde ich informiert.

Es kann also sein, dass noch ein Rest vom Karzinom drin ist. Kann aber auch sein, dass diese Stelle nicht bösartig ist. Kann also sein, dass ich noch einmal die gleiche Prozedur durchmachen muss, wie bereits Anfang Januar. Gut, wenn es so ist, dann soll es so sein.

Auf jeden Fall solle die Radio-Frequenz-Ablation (RFA) noch gemacht werden. Entweder gleich oder einige Wochen nach dem erneuten Eingriff.

Das Ergebnis ist anders als erwartet. In der Tat. Aber es ist (relativ) gut. Ich kann – ich muss – damit leben.

“Tschüss, auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal”. Das sagen nicht nur die Leute zu mir. Das sage auch ich zu ihnen. Und ich sage es gerne, weil ich ja weiß, dass man mir hier helfen wird.

Gabi ist nicht gut drauf. Sie sieht das nicht so stressfrei wie ich. Wir haben in der Familie schon einige liebe Menschen gehabt, die an einer Krebserkrankung verstorben sind. Zwar nicht an der Speiseröhre, aber an verschiedenen anderen Stellen. Und niemals ist es schön. Für alle Beteiligten.
Meine liebe Frau ist daher immer etwas kritischer mit Informationen, die so klingen, wie diese heute. Ich sage ihr, dass doch alles in Ordnung sei. Alles ist gut. Alles wird gut.

Wir fahren heim. Morgen hat Gabi Geburtstag. Es ist ein runder Geburtstag. Ein einschneidender Tag. Weil nicht klar war, wie das Ergebnis heute im Krankenhaus sein würde, haben wir keine Pläne gemacht. Sie wollte gar nicht feiern. Einfach nur wegfahren. Niemand sehen, niemand hören. Auch ich habe nichts geplant.

Nichts? Naja, nicht wirklich! Gemeinsam mit dem Töchterchen habe ich einen Plan. Einen geheimen Plan. Morgen früh packe ich meine liebe Frau ins Auto und dann geht es nach Freiburg. Wir werden uns ein Wellness-Wochenende gönnen. Nur sie und ich. Sie weiß es nur noch nicht. Wir werden zu dritt schön essen gehen und uns zwei schöne Tage machen.

Ich hoffe, dass sie ihre schlechten Gefühle dann abstreifen kann und wieder etwas positiver denkt.

This entry was posted in Uncategorized. Bookmark the permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>